TRUMAU VERKÜNDIGUNGSKAPELLE

Wer am Pfarrzentrum in Trumau vorüberkommt, würde kaum erwarten, hinter der schlichten, zweckmäßigen Fassade ein erstaunliches Gesamtkunstwerk aus Architektur, Bronze, Glas, Stein und Licht vorzufinden – in Form einer Kapelle, die dem Zisterzienserstift Heiligenkreuz inkorporiert ist.

Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass dieses harmonische Ensemble der Kreativität und Schaffenskraft eines einzigen Menschen zu verdanken ist: Pater Raphael Statt OCist, Zisterziensermönch des Stiftes Heiligenkreuz.

Erstmals in der Kirchengeschichte wird die Verkündigung des Herrn in einer neuen Bildsprache erzählt und erfährt durch die räumliche und materialtechnische Trennung von Erzengel Gabriel und Jungfrau Maria eine wundersame Dynamik. Der Engel tritt schwungvoll als feurige Lichtgestalt in Erscheinung, dargestellt im halbrunden Glasfenster über dem Altar. Zu ihm hinauf blickt Maria, erdverbunden und gedrungen als schwere Bronzefigur. Intuitiv spürt der Betrachter sofort, dass der Engel und die Frau mit den emporgestreckten Händen miteinander kommunizieren, über Raum und Zeit hinweg eine mystische Verbindung einzugehen scheinen. Die Theologie erschließt sich, gleich dem wandernden Licht, von oben nach unten, Gott wird Mensch, spirituelle Transzendenz trifft auf erdgebundene Schwere.

Die vibrierende Lichtprojektion des Glasfensters fällt am Morgen zuerst auf Maria, durchwandert in einem dynamischen Bogen und magischer Farbenpracht den gesamten Raum bis in die die letzten dunklen Ecken, und flutet im Sommer sogar die gesamte Gebäudetiefe bis hinaus in den Flur. Im Winter bemalen sie den sanft geschwungenen Bogen der abgehängten Decke, die mit ihren schmalen LED-Lichträndern stoffartig leicht und schwebend wirkt.

All das hat Pater Raphael ersonnen, komponiert und umgesetzt: Das architektonische Raumkonzept, die Bronzeplastiken, das raumprägende Fenster aus mundgeblasenen Gläsern, das Weihwasserbecken in Schmelzglastechnik, in dem sich, akkurat kalkuliert, quer durch den ganzen Raum der Verkündigungsengel spiegelt, und das schwere Mobiliar aus kunstvoll behauenem Sandstein, an dem der studierte Steinbildhauer ein Jahr lang arbeitete. Ora et labora…

Fotografie & Text für NIEDERÖSTERREICH GESTALTE(N) Heft 155

Fotos: Architekturfotografie Wien Romana Fürnkranz

Portolio